Tipps für Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen 1

Frohes Kind sitzt in Wiese

Mit dem System - nicht dagegen!

Daniel Lerch mit Jannik - Seitneigung mit Armstreckung li nach oben
Daniel Lerch mit Jannik

Unsere Muskeln tun nur das, was das Nervensystem vorgibt. Ist ein Muskel angespannt, ist da auch immer ein Nerv, der den Befehl dazu gibt. Sobald der Nerv (Motoneuron) aufhört das Signal zu geben, entspannt sich der Muskel. Versuchen wir, den Muskel durch äußere Krafteinwirkung gegen seine Spannung lang zu ziehen, melden die Rezeptoren im Muskel die wachsende Spannung an das zentrale Nervensystem. Dieses antwortet darauf mit einem erhöhten motorischen Signal. Das heißt der Muskel spannt sich noch mehr an. Unterstützen wir hingegen den Muskel bei seiner Aktivität, ist die Chance viel größer, dass sein Tonus sinkt. 

Ist beispielsweise die Beweglichkeit von Knien und Hüften durch andauernde Beugung eingeschränkt, führt Krafteinwirkung zur Streckung zu mehr Aktivität der Beuger (Muskeln die ein Gelenk beugen). Nehmen wir hingegen den Beugern die Arbeit für einige Zeit ab und verstärken die Beugung sogar, ist die Chance viel höher, dass sie ihren Tonus dabei senken können und die Streckung sich verbessert. Wie das konkret aussehen kann, können Sie am Beispiel eines vierjährigen Jungen - Jannik (u.a. im Teil über die Seitneigung) - hier im Blog lesen. 

Mitte und Peripherie

Kerstin Baldischwieler (ehemals Schmitz) bei einer NeuroScanBalance Lesson
Kerstin Baldischwieler mit einem Kind - Konfiguration von Becken und Brustkorb erlauben die Kopfhebung

Ein Neugeborenes befindet sich normalerweise in Beugestellung, d.h. der Bauch hält das Becken eingerollt, die Beine liegen in Rückenlage nicht auf und sind gespreizt. Ein Säugling entdeckt seine Arme und Beine über die Bewegung des Rumpfes. Betrachtet er seine Füße in Rückenlage, so setzt er dazu seine Bauchmuskulatur ein, der untere Rücken rundet sich dadurch noch mehr und die Beine heben sich in Richtung Gesicht. Wenn die Füße das erste Mal den Boden berühren, passiert dies über eine Streckung des unteren Rückens. So wird absichtliches Handeln mit Händen und Füßen mit den sehr kraftvollen Muskeln der Körpermitte verbunden.

In dieser Weise arbeitet ein Mensch mit maximaler Effizienz. Er kann damit kraftvoll gezielt handeln und die sehr fein abstimmbaren Muskeln in der Peripherie bleiben frei für die Feinmotorik. Gezielt einsetzbare Kraft und Feinmtorik hängen also eng miteinander zusammen.

Findet diese Entwicklung nicht richtig statt, werden sich im Laufe der Zeit Probleme zeigen. Die feinmotorischen Muskeln in der Peripherie sind dann gezwungen, große Kräfte aufzubringen und können ihr feinmotorisches Potenzial auf Grund der großen Spannung nicht entfalten. Damit sind Kraft und Feinmotorik eingeschränkt.

Im Beispiel mit Knien und Hüften in Beugestellung würde ich also die Beine über den Bauch bewegen und dabei das Becken einrollen und danach die Beine zusammen mit dem Becken nach unten in Streckung bewegen. Dabei ist es wichtig, langsam und sanft vorzugehen und Punkt eins (mit dem System - nicht dagegen!) nicht zu vergessen, d.h. nicht in Widerstände des Kindes hinein zu bewegen, sondern davor zu stoppen. Wenn das Kind die Streckung (noch) nicht freigibt, ist es nicht bereit dazu. Es ist wichtig, die Bewegung dann nicht zu erzwingen.

 

Wie das in der Praxis aussehen kann, können Sie im Video mit NeuroScanBalance Entwicklerin Kerstin Baldischwieler sehen:

Interesse?

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